Die Auswirkungen von sexuellem Missbrauch
in der Kindheit auf erwachsene 
Überlebende

Mit jedem sexuellem Kontakt zwischen einem Kind und einer ihm vertrauten Person, die dem Kind Schaden zufügte, muss mit Bestimmtheit umgegangen werden - unabhängig davon, ob der Missbrauch heimlich oder offen, in Form von Flirten oder Geschlechtsverkehr, geschah. 

Es bleiben in so gut wie allen Lebensbereichen der Opfers Narben, da das Opfer mit wenig oder gar keinem Selbstwertgefühl zurückbleibt. Mindestens einer von fünf Jungen und eines von vier Mädchen wird missbraucht, bevor er/sie 18 Jahre alt ist. Das emotionale Wachstum des Kindes wird in dem Alter zum Stillstand gebracht, in dem der erste Übergriff passierte. Das Opfer wird wahrscheinlich nicht anfangen zu genesen, bevor es erwachsen ist, wenn überhaupt.

Jungen können genauso wie Mädchen Opfer von sexuellem Missbrauch sein. Jeder kann ein Missbraucher sein, besonders, wenn er vom Kind als verantwortlich wahrgenommen wird, einschließlich Bruder, Onkel, Freund der Familie, Tante, Lehrer - die Liste ist endlos. 

Einige Formen von sozialer Verhaltensstörung, die durch sexuellen Missbrauch entstehen, sind Alkoholismus, Drogensucht, Prostitution und Promiskuität. 

Ess- oder Schlafstörungen, Migräne, Rücken- oder Magenschmerzen sind nur einige körperliche Folgeerscheinungen unter denen ein Opfer leiden kann. Essen, Sex, Alkohol und/oder Drogen betäuben die schmerzlichen Missbrauchserinnerungen und schalten die Wirklichkeit vorübergehend aus. Wenn ein Opfer Fettleibigkeit als unattraktiv wahrnimmt und glaubt, dass es missbraucht wurde, weil es hübsch war, wird es vielleicht "fressen", in einem unglücklichen Versuch, sich vor weiterem sexuellen Missbrauch zu schützen. "Ich wollte aufgeben" ist eine geläufige Antwort unter Opfern, und Bulimie ist eine Art, dieses Gefühl auszuleben. Magersucht ist eine andere Form der Selbstbestrafung und führt letztlich zu einem endgültigen Sich-selbst-zum-Opfer-machen, dem Selbstmord.

Es gibt viele emotionale Probleme, die durch den Missbrauch entstehen. Dazu gehören die Unfähigkeit zu vertrauen, Perfektionismus, Phobien und das Vermeiden von sowohl Nähe als auch emotionaler Bindung. Das Verleugnungssystem, das dem Kind das Überleben sicherte, verhindert nun, ein unbelastetes Erwachsensein zu genießen.

Das Kind traut seinen eigenen Wahrnehmungen nicht; es wurde gezwungen, ein Experte darin zu werden, den eigenen Gefühlen nicht zu trauen. Das Missbrauchsopfer versucht sich davon zu überzeugen, dass es über-reagierte, dass nichts wirklich Schreckliches passierte: "Mein/e XY würde mich nie WIRKLICH verletzen". Wenn die Wirklichkeit für den Verstand eines Kindes zu schmerzhaft ist, lernt es zu erfinden. Es ist extrem schmerzlich, die Phantasiefamilie aufzugeben, da Kinder sich entweder in ruhmreichem Licht oder im Schatten der Ungnade sehen. Deshalb findet das Opfer Entschuldigungen für die missbrauchende Person: "XY war damals betrunken. XY hatte es als Kind schwer". Das Kind übernimmt Verantwortung für die Übergriffe: "Ich war zu hübsch, zu sexy". Die missbrauchende Person verstärkte wahrscheinlich die quälenden Schuldgefühle des Kindes und veranlasste es immer wieder zu Fragen, ihre eigene Unschuld betreffend. Im Grunde verteidigt das Opfer die missbrauchende Person, indem es bagatellisiert, rationalisiert und sich selbst die Schuld gibt. Wenn das Missbrauchsopfer als erwachsene Person weiterhin diese Hilfsmechanismen benützt, ist sie darauf programmiert, auch in ihren jetzigen Beziehungen missbraucht zu werden. In SIA kann das Opfer lernen, die Tatsache zu akzeptieren, dass es von der missbrauchenden Person mehr missbraucht als geliebt wurde. Die oder der Überlebende wird sich dann nur gesunde, echte Liebesbeziehungen suchen. Das Opfer war bisher daran gewöhnt, nur ein paar Krümel zu akzeptieren, weil es glaubte, nichts Besseres verdient zu haben.

Das Opfer hat vielleicht Probleme mit Elternschaft, indem es seine Entscheidungen im Nachhinein kritisiert; dies ist ein weiteres Ergebnis des Misstrauens gegenüber der eigenen Wahrnehmung. Ein Opfer kann: Elternschaft überhaupt vermeiden; versuchen, ein perfekter Elternteil zu sein oder den Missbrauch wiederholen. Die schlimmstmögliche Konsequenz ist, wenn ein Opfer den Missbrauch in der nächsten Generation aufrechterhält.

Eine andere Auswirkung des Missbrauchs ist, dass Opfer Autoritätspersonen oft mit Angst begegnen. Passivität ist tröstlich, weil bekannt, und das Opfer kann bekanntes Unglück eher akzeptieren als Veränderung zum Unbekannten hin riskieren. Es wurde ein Versuch durchgeführt, bei dem Hunde gezwungen wurden, schmerzvolle Elektroschocks auszuhalten, ohne die Möglichkeit zu entkommen. Eine zweite Gruppe von Hunden wurde ebenfalls gezwungen, die Schocks auszuhalten; sie entkamen rasch, sobald es möglich war. Als die erste Gruppe erneut den Schocks unterzogen wurde, nun mit der Möglichkeit zu entkommen, blieben sie. Sie waren darauf konditioniert worden, Schmerz zu ertragen. Das Experiment gibt eine Erklärungsmöglichkeit, warum so viele Opfer als Erwachsene von Therapeuten, Beratern, Ärzten oder Chefs sexuell missbraucht werden. 

Opfer sind daran gewöhnt, den Kampf zu verlieren und sich machtlos zu fühlen. Mit Bestimmtheit zu handeln ist für ein Missbrauchsopfer eine schwierige Vorstellung.

Die Unfähigkeit des Opfers zu vertrauen beeinträchtigt die Gefühle des Opfers gegenüber Angehörigen des anderen Geschlechts. Frauen, die von Männern missbraucht wurden, werden oft sagen: "Ich vertraue keinem Mann; sie wollen alle nur Sex". Oft fühlen sich Jungen, die von mehr als einem Mann missbraucht wurden, gezwungen zu glauben, dass sie homosexuell sind. Die Übergriffe können für das Opfer gefühlsmäßig oder körperlich angenehm gewesen sein, und diese Tatsache verstärkt den Verdacht, dass es selbst homosexuell sein muss: "Ich wirkte sowohl auf meinen Onkel als auch auf einen Lehrer anziehend, und da es sich gut anfühlte, ich es mochte, muss ich schwul sein". Als Verteidigung für den Missbraucher sagt er vielleicht: "Ich bin derjenige, der schwul ist, und mein Missbraucher fühlte das, das ist alles".

Ein anderes Ergebnis der widersprüchlichen Botschaften des Missbrauchs ist, dass viele Opfer Sex mit Zuneigung und Liebe verwechseln. Viele Frauen sagen vielleicht: "Der einzige Zeitpunkt, zu dem mein Vater mir Aufmerksamkeit schenkte, war im Bett. Da war ich etwas Besonderes für ihn. Ich fühlte mich geliebt". Da sie verzweifelt Bestätigung benötigt, wird diese Frau wahrscheinlich promiskuitiv werden. Sie muss wissen, dass ein Kind oft als Folge von sexuellem Missbrauch promiskuitiv wird, dies aber niemals die Ursache von Missbrauch ist. Sie glaubt, wenn jemand mit ihr schläft, dann liebt er sie automatisch. Sie hat den unglücklichen Fehler gemacht, Sex mit Liebe zu verwechseln.

Wenn der Missbrauch körperlich gewaltsam war, vielleicht sogar schmerzhaft, kann das Opfer Sex mit Kontrolle und Macht verwechseln. Eine typische Bemerkung könnte sein: "Wenn ich mit jemandem schlafe, empfinde ich es so, als ob die andere Person meinen Körper kontrolliert. Ich habe das Gefühl, wenn ich reagiere, dass diese Person mich manipuliert und ich immer wieder eine Puppe bin". Diese Person stellt vielleicht alle sexuellen Gefühle ab und zieht sich von jedem sexuellen Kontakt zurück; sie fürchtet, von niemandem Bestätigung zu erhalten.

Die Veränderung von selbstzerstörerischen Mustern ist ein langsamer Prozess, aber in SIA können wir lernen, dass es möglich ist. Es erfordert enorme Kraft von einem Opfer, sich selbst in die Lage zu versetzen, diesen Schmerz zu fühlen. Das Opfer braucht unglaublichen Mut und verlässliche professionelle Hilfe. SIA, ein 12-Schritte-Genesungsprogramm, ist ein weiteres Mittel, das der oder dem Überlebenden zur Verfügung steht. Eine Feststellung, erinnert uns: "Der Schmerz ist vorübergehend, Verleugnung und ihre Konsequenzen aber bleiben für immer". Wenn das Opfer den Missbrauchsfolgen überdrüssig wird und bereit wird, gewissenhaft am Problem des Missbrauchs zu arbeiten, dann ist es auf dem Weg dazu, sein Leben eher als Überlebende/r denn als Opfer zu leben.


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